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Der Gebetsroither Stil

Der Gebetsroither Wurfstil

Immer noch aktuell oder Schnee von gestern?

In den Vereinigten Staaten ist der Gebetsroither Stil als Belgian Cast bekannt. Entweder war es nur ein Zufall oder die Profilierungssucht eines Einzelnen, der dazu führte, dass die Amerikaner einen falschen Begriff übernahmen. Wie dem auch sei, der Begriff ist falsch, denn der Ursprung dieses Wurfstils ist bei Hans Gebetsroither zu suchen, der durch seine Tätigkeit als Wurflehrer den Stil in den Alpen und darüber hinaus sehr populär machte.

Der Ursprung

Hans Gebetsroither kreiierte diesen Stil während seiner Zeit als Fischereiaufseher, Bewirtschafter und Guide an der berühmten Gmundner Traun (der Traun Fluss unterhalb des Traunsees in Oberösterreich) in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Er musste damals jede Nacht die Seidenschnüre seiner Kunden trocknen und einfetten und empfand es leichter und schneller, dies zu tun, indem er sie "trocken warf". Dies war nur durch eine ovale Wurfbewegung leicht und schnell zu bewerkstelligen. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann er, diesen neuen Wurfstil einem seiner berühmten Kunden zu lehren. Der irische Dr .Briscoe bat ihn, ihn zu unterrichten, weil er begriff, dass Hans Gebetsroither etwas völlig Neues tat. Hans Gebetsroither, der einfache Schuhmacher, Riverkeeper und Guide(Lägelträger wie es früher hieß) schämte sich erst ein kleines bißchen, weil er es nur gewohnt war, den Reichen zu dienen. Aber jetzt wurde er gebeten, sie zu unterrichten. Er ging das Risiko ein, und innerhalb der folgenden Jahre wurde er weithin bekannt. Er schuf einen neuen Wurfstil - den Gebetsroither Stil (auch bekannt als Österreichischer Wurfstil). In den nächsten Jahrzehnten bis zu seinem Tod im Jahre 1986 unterrichtete er tausende Schüler, die aus vielen Ländern nach Gmunden pilgerten, um vom Lehrmeister persönlich zu lernen. Berühmte Fliegenfischer wie Charles Ritz waren unter seinen Studenten. Detailliertere Informationen dazu entnehmen Sie bitte dem großartigen Buch: Hans Gebetsroither - Ein Leben dem Fliegenfischen.

Viele Leute sind der Ansicht, dass Gebetsroither eigentlich nicht wirklich genau wusste, worin der echte Vorteil seines Stils lag, und er war bestimmt auch nicht derjenige, der in der Lage war, seinen Wurfstil biomechanisch zu erklären. Er wusste, dass sein Stil große Vorteile brachte, und er wusste auch intuitiv, wie man ihn mit dem damaligen Gerät(das er auf den Stil anpasste) werfen musste. So war er dennoch in der Lage, in einfachen Worten seinen Wurfstil zu verbreiten. Seine Kunden bewunderten ihn wegen seiner Bescheidenheit, und er wurde zu einer Legende in den Alpenländern und auch anderen Teilen Europas. Eine Skulptur vor dem Hotel Marienbrücke in Gmunden (A), wo er wirkte, erinnert noch heute an diesen charismatischen Mann. Der Gebetsroither Stil wurde zum beliebtesten Wurfstil in den europäischen Alpen und die kurzen Gebetsroither Ruten erlebten besonders in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts einen regelrechten Boom.

In den USA ist der Stil als "Belgian Cast" bekannt. In Europa verwendet niemand diesen Begriff. Es wäre längst an der Zeit, dass dieser falsche Terminus in den USA durch "Gebetsroither Stil" oder "Österreichischer Wurfstil" ersetzt wird und sein Schöpfer auch in den Staaten -zwar spät aber doch- als Urvater des ovalen Werfens anerkannt wird.

Vorteile des Gebetsroither Stils aus meiner Sicht

Nachfolgend ein paar gewichtige Gründe, warum der Gebetsroither Stil - besonders aber meine Variante mit Handgelenkseinsatz - aus meiner Sicht ein idealer Wurfstil gleichsam für Anfänger wie Fortgeschrittene aber vor allem auch für das praktische Fischen ist:

  • Die Spannung in der Schnur kann konstant erfühlt werden, wodurch es zu keinem Kontrollverlust bei den zwar vorhandenen, jedoch fließenden Stopps kommt. Folglich ist der Stil einfacher zu erlernen.
  • Runde Bewegungen sind harmonischer als gerade Bewegungen > keine extremen Unterbrechungen bei den Stopps und somit eine fließende Drift.
  • Nur ein Wurfstil für die meisten Situationen! Es ist kein Wechsel der Grundtechnik notwendig, ganz egal ob überkopf oder im Switch oder "Rollwurf" geworfen wird. Alle basieren auf der Unten-Durch-Oben-Drüber-Bewegung.
  • Der Stil eignet sich perfekt für progressive Hightec-Ruten der neuen Generation.
  • Der Zeigefingergriff ermöglicht einen langen Beschleunigungsweg und eine höhere Wurfgenauigkeit.
  • Da in einer 45° seitlich versetzten Wurfebene geworfen wird, ist die Fliege weiter vom Werfer entfernt als dies beim herkömmlichen Überkopfwurf der Fall ist (Sicherheit vor Verletzungen durch Haken).
  • Die Schultermuskulatur ist stärker als die Muskulatur des Handgelenks, wesshalb das Schultergelenk das zentrale Wurfgelenk beim Gebetsroither Stil ist. Es handelt sich dabei um ein Kugelgelenk, das Bewegungen in verschiedene Richtungen erlaubt.
 

Die Entstehung des Begriffs "Belgian Cast" in den USA?

Hier folgt die Erklärung von Guido Vinck, selbst Belgier, Mitglied des EFFA Flycasting Departments und mehrfacher Casting Weltmeister:

"Albert Godart was born in the town Bouillon (south of Belgium - Ardennes) just before world war one. After world war two he became a well know caster and fished a lot of times together with Hans Gebetsroiter and Charles Ritz (so he could learn the Gebetsroither style). At that time Godart was one of the best flycasters in the world and was more or less sponsored by Hardy. I never met him because he died in the early sixties but met a lot of people who knew him. In the early fifties the first international (official) casting championships (CIPS) started and the world cahmpionships in Brussels in 1958 was his moment of glory where he won a silver medal. During this period he met a lot of Americans and visited also the USA. There he demonstrated the Gebetsroither style, that's why the Americans call it the Belgian Style."

Der elliptische Wurfstil - eine rein europäische Entwicklung?

Das elliptische Werfen ist keine rein europäische Domäne. Es gibt natürlich auch bekannte amerikanische Fliegenwerfer wie Lefty Kreh, die den Nutzen dieser Technik erkannten. Lefty Kreh hat zum Beispiel eine optimale Technik für die Salzwasserfliegenfischerei entwickelt. Er arbeitet ebenfalls mit dem Oval auch, obwohl der Grund, warum er diesen Stil verwendet, ein anderer ist (um beim Rückwurf unter den auf dem Meer oft scheußlichen Wind zu kommen) ist. Die Hauptabsicht von Hans Gebetsroither war, ein hoher Rückwurf wegen der Sträucher im Rücken ähnlich der High Speed High Line Technik von Charles Ritz.
 
Was diesen Stil zusätzlich unterstützte, war die Änderung der Rutenlänge. Hans Gebetsroither kürzte  einfach kurzerhand alle damals gebräuchlichen Gespliessten, die er in die Hände bekam, auf 6-7 Fuss ein(er verstand auch das Handwerk des Baus von Ruten aus Tonkin Rohr). Eine kürzere Rute und die damit einhergehende leichtere Ausrüstung mit einem geringeren Hebel,  erleichterten das elliptische Werfen natürlich ungemein. Diese deutlich steiferen Ruten dienten primär dazu, die Rutenspitze auf einer exakten Bahn zu halten. Die Wurfweite kam somit nicht primär aus der Rute, sondern sie wurde in erster Linie durch die Schnurhand "erzogen".
 
Dasselbe tat Lee Wulff in den Staaten. Auch er verwendete kurze Ruten. Wenn Sie seine ersten Filme vom Fliegenfischen in den Rocky Mountains betrachten, so wirft er darin zwar nicht immer, jedoch in vielen Situationen, identisch wie Gebetsroither dies tat. Die kurzen Ruten (Lee Wulff war der Erste, der auch Atlantische Lachse mit kurzen Ruten und der Trockenfliege fing) machten dies möglich. Die Entwicklung in den Staaten und Europa, was diese zwei Fliegenfischerkapazitäten betraf, war eine parallele. Die elliptische Bewegung in Kombination mit dem Gebrauch der leichten und kurzen Ausrüstung favorisierten den Zeigefingergriff, weil dies der  natürliche Griff bei Verwendung einer 45° seitlichen Wurfebene ist. Während Hans Gebetsroither jedoch ein reiner Zeigefingerwerfer war, so warf Lee Wulff in vielen Situationen mit einer Kombination von Zeigefinger und Daumen (Bild 1 und Bild 2), die Hans-Ruedi Hebeisen und Roman Moser (Zwickelgriff) in Europa propagierten.

 

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Bild 1 (Lee Wulff)

Bild 2 (Lee Wulff)

reiner Zeigefingergriff (GF)

Unabhängige Entwicklung:

Dass sich das elliptische Werfen auch unabhängig davon entwickeln kann, erlebte ich am Bighorn River in Montana. Ich sah Roger Rehurek, Guide und Mitbesitzer des Cottenwood Camps elliptisch werfen und fragte ihn, wie er denn dazu gekommen wäre. Seine Antwort war verblüffend:

"Wie du siehst, gibt es am Bighorn durch das Waten der Angler zu bestimmten Tageszeiten eine Abdrift von Algen. Dies ist lästig beim Fischen, denn sie bleiben oft an unseren Nymphen hängen. Wir schlagen sie dann einfach in einer runden Bewegung auf das Wasser, um sie loszuwerden. Irgendwann merkten wir, dass es sich auf diese Art eigentlich auch ganz gut werfen lässt. So blieben wir dann dabei."

Roger Rekurek
Roger Rehurek

Stilfragen - meine Ansichten zum Gebetsroither Wurfstil

In einem deutschen FF-Magazin wurde im Jahre 1997 meine Ansicht zum Thema Gebetsroither Wurfstil völlig falsch wiedergegeben. Ich habe an der berühmten Chatsworth Angling Fair in England über den Gebetsroither Stil referiert und seine Vorteile auch gemeinsam mit meinem Kollegen Jupp Verstraten(D) an der Conclave in Idaho Falls (USA) neben anderen europäischen Wurfstilen vorgestellt. Seit dort ist der Name Gebetsroither in Amerika unter Wurfinstruktoren auch mehr denn je ein Begriff. Die aufsehenerregende gemeinsame Demonstration von europäischen und führenden amerikanischen Wurfinstruktoren, die von zwei Fernsehteams aufgezeichnet wurde, war auch für Amerika ein bislang einzigartiges Ereignis dieser Art. Zudem habe ich in Zusammenarbeit mit Jason Borger auch dafür gesorgt, dass Hans Gebetsroither im derzeit wohl umfassendsten Buch über das Fliegenwerfen "The Nature of Fly Casting" verewigt wurde. Wer mir also unterstellt, ich würde die Vorteile dieses Stils nicht würdigen, hat wohl einiges nicht so recht verstanden.

Ich werfe bis Schnurklasse 12 mit der Zeigefingerhaltung von Hans Gebetsroither, die, für mich zumindest, die beste Handhaltung ist, sofern die Muskeln dazu ausreichend trainiert sind. Es geht mir bei Wurfdemos nicht darum, als Österreicher den Gebetsroither Stil als den einzig wahren Stil zu propagieren, sondern rein sachlich die Grenzen der einzelnen Stile und deren Einsatzmöglichkeiten auszuloten. Es geht mir aber auch darum, dass andere Stile auch akzeptiert und nicht von vornherein abgelehnt werden. Meine leicht abgewandelte und an die heutige Rutengeneration angepasste Variation des Gebetsroither Stils ist der meiner Ansicht nach beste Universalstil für den Fliegenfischer und der mit Abstand beste Stil für den Anfänger. Davon bin ich überzeugt, und warum dies so ist, habe ich mit meinen Worten auch immer wieder erklärt. Deshalb sind die Grundgedanken dieses Stils auch Teil meiner Schulungen und Kurse.

Ein Schwachpunkt des Stils zeigt sich jedoch beim weiten Wurf, wo bei langer Leine die große Schlaufe beim Rückschwung viele Kursteilnehmer zur Verzweiflung bringt, weil die Fliege oft den Boden streift. Deshalb empfiehlt es sich bei Distanzwürfen, wie sie an Talsperren benötigt werden, wenn kein Schusskopf vorhanden ist, auf eine andere Technik auszuweichen und auch beim Rückschwung oben drüber zu werfen (bei normalen Verhältnissen ca. ab 25m, bei Rückenwind schon eher). Dies bedeutet keinesfalls, dass man mit dem Gebetsroither Stil nicht über 25 m werfen kann, sondern nur, dass es viel mühevoller ist. Dies war als Hinweis für Fortgeschrittene gedacht, die für ihr "Stehenbleiben" keine Erklärung haben. Ein Anfänger ist weder in der Lage, noch ist es für ihn sinnvoll, große Weiten zu werfen. Auch beim Fischen spielt sich meist alles im Bereich bis 15 m ab.

Diese Einschränkung habe ich in Bezug auf den Gebetsroither Stil auch immer wieder vertreten. Ich hatte damals in ein Wespennest gestochert, weil ich es mir erlaubt habe, als Erster während meiner Wurfdemos öffentlich die Schwachstellen des Gebetsroither Stils aufzugreifen. 

Wer, wenn nicht die Wurfexperten der jüngeren Generation(damals war ich 33), sollten jene Antworten geben, die früher, in Rücksicht auf die Arbeit des grossen Lehrmeisters (die ich in keinster Weise schmälern möchte - im Gegenteil!) bewusst schuldig gelieben sind und viele talentierte und gleichsam ambitionierte Werfer vor Probleme gestellt haben, da sie sich werferisch einfach nicht mehr weiterentwickeln konnten.

Meine Variation des Gebetsroither Stils

Im folgenden Filmausschnitt sehen Sie meine Variation des Gebetsroither Stils, der auf das moderne Gerät abgestimmt ist, das heute verwendet wird. Beachten Sie dabei meinen seit vielen Jahren vertretenen starken Einsatz des Handgelenks(Öffnung erst nach dem Stopp), um den unteren Bereich einer Fliegenrute optimal zu laden. Meine Variante eignet sich somit auch für das Nymphenfischen, während die originale Gebetsroither Technik für das Trockenfliegenfischen und Überkopfwürfe vorgesehen war.

Dies war mit den steifen Ruten der Gebetsroither Generation und durch Verhinderung des Handgelenkseinsatzes ("Die Rute endet am Ellenbogen.") nicht möglich. Somit wurde praktisch ausschließlich die Spitze der Rute über den Einsatz der Schnurhand geladen.

Da Gebetsroither also nicht die gesamte Rute lud, sondern durch den kleinen Winkel "praktisch ausschließlich mit der Spitze warf". So ist es auch einfach nachzuvollziehen, dass er zahlreiche Ruten brach bzw. die Ruten von Kunden von der Spitze her kürzte, um sie seinem schnellen Stil anzupassen.

 

Heute wird der Gebetsroither Stil in der Urform kaum mehr geworfen. Zu wichtig ist die Nymphenfischerei geworden. Mit Hansi Aigner ist der letzte prominente Gebetsroither Instruktor von uns gegangen.

Copyright © Günter Feuerstein