Karpfen stalken
Die steigenden Wassertemperaturen unserer Flüsse, der Insektenschwund und die Nutzung durch Sonnenhungrige und Boottouristen machen es dem Fliegenfischer im Sommer zunehmend schwerer, irgendwo noch ungestört seinem Hobby frönen zu können. Flexibilität ist gefragt! Seit vielen Jahren bin ichdeshalb auch auf den Salzwasserflats und an den Flats der Seen aber auch mit dem Bellyboot unterwegs - Tendenz stark steigend!
Dies erfordert ein Umdenken und Herantasten an andere Fischarten, um mit der Fliege auch dort erfolgreich zu sein. Ein Fisch, der in den vergangenen Jahren zunehmend ins Zentrum meines Interesses geriet, war der Karpfen. Einen Karpfen mit der Fliege zu fangen, bedeutet mehr als man annehmen möchte, denn viele Artikel und Videos in den sozialen Netzwerken, die sich auf Karpfen beziehen, sind vergleichbar mit einem Besuch in einem "Forellenpuff", einem stark besetzten Angelteich oder Privatgewässer, in dem die Fische es gewohnt sind, von Fischern und Besuchern gefüttert zu werden und ein vollkommen anderes Verhalten an den Tag legen, als dies von einem wildlebenden Karpfen erwartet werden kann. Viele dieser Karpfen-Fliegenfischer füttern sogar mit Schwimmbrot oder anderen Oberflächenködern an, um dann die Brotfliege dazwischen zu platzieren. Diese Art der Karpfenfischerei mit Schwimmbrot etc. ist zugegebenermassen recht einfach und ist gleichzusetzen einem Fliegenfischer, der mit Pelletimitationen am Forellenteich fischt. Eine mögliche Ausnahme ist in diesen Bereichen das Fliegenfischen auf Karpfen im zeitlichen Frühjahr noch bevor die Karpfenfischer anfangen, die Fische anzufüttern. Das ist dann das Zeichen, die Fischerei in solchen Bereichen mit der Fliege einzustellen, weil nach kurzer Zeit bei den Karpfen wieder der Gewöhnungseffekt eintritt, den sie über den Winter abgelegt (vergessen) haben.

Das richtige Karpfenfischen auf Wildfische - wie beispielsweise am Bodensee - ist sehr anspruchsvoll und hat viel Ähnlichkeit mit dem Stalken von Permits auf einem Flat. Ich sage hier bewusst Permits, denn Karpfen sind alles andere als einfach zu überlisten, besonders dann, wenn sie nur natürliche Nahrung kennen und bewährte, auffällige Karpfenköder links liegen lassen. Selbst ein routinierter Hechtfischer, der den Hechten erfolgreich mit der Fliege nachstellt, wird rasch merken, dass das Karpfenfischen auf Wildfische eine ganz andere Liga darstellt, ganz besonders dann, wenn es um Fische jenseits von 10 kg geht. Der Karpfen ist nicht nur klüger, sondern auch wesentlich störungsempfindlicher. Um einen Hecht zu fangen, muss man ihn nicht unbedingt sehen. Zwar kann man einen in mehreren Metern Wassertiefe gründelnden Karpfen anhand der Blasenspur auch mit einer Sinkschnur befischen und vielleicht auch haken, doch die Hohe Schule des Karpfenfischens mit der Fliege ist das Fischen auf Sicht. Hier ist das Pirschen und Beobachten des Fisches Grundvoraussetzung, um ihn auch erfolgreich befischen zu können. Hat man einen Karpfen gefunden, muss man ihn auch noch anwerfen können, ohne dass er Lunte riecht. Somit ist man in der Regel froh, überhaupt einen Karpfen pro Tag landen zu können. Bei mehr als drei Fischen pro Tag, steht man mit grosser Sicherheit an einem Gewässer der obengenannten Kategorie, an dem sich domestizierte Karpfen tummeln. Erschwerend kommt beim Karpfenfischen in Naturgewässern hinzu, dass viele von ihnen wegen starker Ufervegetation nur wenige Plätze bieten, an denen wildlebende Karpfen auch erfolgreich auf Sichtdistanz befischt werden können. Massenfänge von Karpfen sind in Mitteleuropa kaum möglich, jedoch in Gebieten wo Karpfen sich explosionsartig vermehren, jedoch niemand darauf fischt, oder in unbewohnten Gebieten, wo sie noch nie oder kaum Kontakt mit Fliegenfischern gehabt haben (siehe Karpfenvideos aus den USA). Meist handelt es sich aber dort um Karpfen unter 10 kg Gewicht.

Hier ein paar tolle Fische, die vielleicht, den einen oder anderen animieren werden, dem Fischen auf wildlebende Karpfen mit der Fliege vermehrt Bedeutung zu schenken. Das Karpfenfischen auf Wildfische mit der Fliege hat zumindest für mich, ähnliches Suchtpotential wie das korrekte Huchenfischen mit dem Streamer.
Mein in der Regel verwendetes Gerät für grosse Karpfen:
CTS Affinity X 9ft. #10. Loop OPTi Runner, WF 9 oder 10 F (Short Belly wegen meist fehlendem Rückraum und mehr Kraft für den Rollwurf), Vorfachspitze gewöhnlich 0.30mm (-0.35mm), jedoch niemals unter 0.25 mm, Vorfachlänge 3-4.5m
Es ist hier keine 7er oder 8er Rute aufgeführt, denn beim Fischen auf Grosskarpfen, zeigen sich u.U. auch mal Fische jenseits der 20 kg Marke. Will man so einem Fisch Parole bieten können, muss das Rückgrat der Rute stark genug sein. Da ich lange Drills der Gesundheit der Fische wegen ablehne, versteht sich von selbst, dass Vorfachstärken unter 0.25 mm für mich keine Option sind.


